
Heute vom Unternehmer zum Investor umsatteln?
Wann lohnt es sich, das Familien-Unternehmen zu verkaufen? Peter Lorange, Wirtschaftsprofessor, Unternehmer und Investor, gibt Tipps.
Viele finanziell unabhängige Menschen bauten ihr Vermögen über Jahre mit einem Familienunternehmen auf. Dies ist aus Sicht der Diversifizierung und bei geänderten Umweltbedingungen riskant. Auch das Alter der beteiligten Familienmitglieder und deren Fähigkeiten ändern sich. Peter Lorange, Gründer von Lorange Network und Single Family Office Investor, weiss, wann es Zeit ist, eine Entscheidung zu fällen.

Prof. Peter Lorange, Gründer Lorange Network, Single Family Office Investor
Wenn die genannten Risiken zu hoch, die Umstände verändert, die Managementpower reduziert oder der Wert des Unternehmens sehr hoch ist, kann die Familie einen Verkauf des ins Auge fassen, um „nicht mehr alle Eier in einem Korb liegen zu sehen“, sagt Lorange. Der Schweiz-Norweger hat die „Eier“ seiner Familie auf folgende Körbe verteilt: klassische Assets, Private Equity, Edutech, Shipping und Immobilien. Das kleine Family Office Uglestad Invest betreibt der einstige Präsident der Kaderschmiede IMD in Lausanne gemeinsam mit seinem Sohn Per und Schwiegersohn Frode.
Vom Familienunternehmer zum Investor
Wie soll der Prozess vom Unternehmer zum diversifizierten Investor idealerweise ablaufen? Im „Insight“ auf Lorange Network teilt Lorange seine Checkliste.
Gehen wir mal davon aus, dass der Unternehmer den M&A Prozess und die Family Governance im Griff hat, und dass es ernsthafte Kaufinteressenten gibt, die gewillt sind, einen guten Preis zu bezahlen. In dem Fall sind es meist diese Themen und Problematiken, die während des Verkaufsprozesses behandelt und diskutiert werden:
- Schlüsselmitarbeiter könnten über die Unsicherheiten nach einem Verkauf beunruhigt sein und offen oder versteckt Widerstand leisten. Es lohnt sich deshalb, Kader und Schlüsselmitarbeiter für den Fall eines erfolgreichen Verkaufs zu belohnen.
- Cash vor Equity: Um ein diversifiziertes Portfolio als Family Investor aufbauen zu können, brauchen Sie viel Cash. Darum sollte bei dieser Ausgangslage bei den Verkaufsverhandlungen möglichst wenig in Aktien des Käufers oder variabel als Earn-out (abhängig vom künftigen Umsatz oder Gewinn) akzeptiert werden.
- Kritik: Andere Stakeholder und Aussenstehende kritisieren oft die Unwägbarkeiten eines beabsichtigten Verkaufs. Gehen Sie einfach ihren Weg. Es ist egal, wenn Aussenstehende denken Sie seien „ein Idiot“.
- Disziplin: Viel Cash auf dem Konto verleitet manche zu vorschnellen und riskanten Investments. Machen Sie mit kompetenten Beratern erst in Ruhe Ihre Hausaufgaben zur Strategie, Governance, Controlling usw.
Also, warum das Familienunternehmen verkaufen?
Für Lorange gibt es drei Hauptgründe, das Familienunternehmen zu verkaufen:
- Zu dominanter Anteil am Familienvermögen: Aus dem Familienunternehmen lassen sich nicht genügend Mittel aus Dividenden, Aktienverkäufen oder Kapitalrückzahlungen generieren, weil die Rendite moderat ist oder ständig reinvestiert werden muss. Je nach Domizil – z.B. in der Schweiz oder in Norwegen – können die Vermögenssteuern börsennotierte Familienunternehmen dazu zwingen, ständig Anteile abzutreten. Dividenden sind steuerlich oft ebenfalls nicht attraktiv.
- Kraft der Diversifizierung: Auf Vermögen gibt’s bekanntlich keine Zauberformel für ein garantiertes Aufwärtspotenzial, aber dank gekonnter Diversifizierung einen mächtigen Schutz zur Vermeidung von Kapitalverlust. Mehr Liquidität und weniger Klumpenrisiko kann ein Ziel sein, aber auch eine Erhöhung der Rendite bei mehr Flexibilität ist denkbar. Diese kann dank neuen Sektoren, die mehr Wachstum versprechen, generiert werden. Dazu gehört die Private Equity samt ihrer Trend-Sektoren Digital und Gesundheit sowie das Thema Nachhaltigkeit.
- Familienunternehmen nicht mehr optimal positioniert: Auch ohne Managementfehler kann ein Unternehmen in eine ungünstige Position geraten, die kaum beeinflussbar ist. Tabakprodukzenten, Airlines, Hotels, Containerschiff-Reedereien sowie Produzenten von nuklearen und fossilen Energien – ja jegliche namhaften CO2-Verursacher – können plötzlich in eine Schieflage geraten. Da gilt es, den optimalen Zeitpunkt zum Ausstieg nicht zum verpassen.

Nadine Kammerlander, Lehrstuhl für Familienunternehmen
Warum die Firma trotzdem weiterführen?
Andersherum gibt es viele Argumente, das Unternehmen in der Familie zu behalten:
- Familienunternehmer engagiert und nachhaltig: Dank langfristig ausgerichtetem Handeln, Einsatz und Leidenschaft schneiden besitzergeführte Unternehmen im Schnitt besser ab, als managergeführte. Denn Familienmitglieder lernen Unternehmen und Branche quasi mit der Muttermilch kennen. Ein Verkauf könnte zudem zum Verlust von sozialem Status und Identität führen.
- Zu früh für Verkauf: Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und Snapchat-Gründer Evan Spiegel lehnten frühe Übernahmeangebote von einer Milliarde Dollar ab, was europäische Unternehmer an ihrer Stelle vielleicht nicht getan hätten. Offensichtlich war es hier finanziell richtig, zuzuwarten (Anm. Autor: psychologisch beantworten Glücksforscher die Frage anders wegen des abnehmenden Grenznutzens einer weiteren Milliarde). Wenn hingegen das Familienunternehmen die ersten fünf (!) Generationen gut übersteht, hat es sich als höchst effizient und nachhaltig erwiesen, sagt Nadine Kammerlander, Inhaberin des Lehrstuhls für Familienunternehmen an der Wirtschaftshochschule Koblenz WHU: „Familienfirmen übertreffen börsennotierte Firmen in Innovation und langfristiger Rendite“.
- Dividenden statt Verkauf: Wenn ein hoher Teil des Unternehmensgewinns als Dividenden problemlos entnommen werden kann, lässt sich auch ohne Verkauf der Kontrollmehrheit ein diversifiziertes Portfolio aufbauen.
Falls der Verkauf feststeht, bitte daran denken…
Die wichtigsten Voraussetzungen für die Zeit nach dem Verkauf sind:
- Unbedingt Unternehmer-Fähigkeiten bewahren: Die entsprechenden Skills in der Familie weiterzuentwickeln, ist für Familien mit Unternehmer-Gen unabdingbar. Ein Minimum an Engagement wäre zum Beispiel der Einsitz im Verwaltungsrat bei Startup- und Private-Equity-Investments (Direktbeteiligung in private, nicht an der Börse notierte Unternehmen). Dort kann auch die nächste Generation dazulernen. Einfach nur kotierte Aktien und Obligationen zu besitzen ohne jeglichen Einfluss, ist nichts für echte Unternehmer.
- Miniteam statt viele Mitarbeitende: Die Besitzerfamilie muss lernen, sich von Hierarchie und Hunderten von Beschäftigten zu verabschieden und mit wenig ausgesuchten Beratern in einem Miniteam ein branchenmässig und geografisch breit aufgestelltes Portfolio zu managen.
- Offen und analytisch: Als Portfolio-Manager braucht es Offenheit für neue Trends, eine intelligente Strategie und taktisch ein feines Gespür für Timings. Die entsprechenden neuen Fähigkeiten und Netzwerke zu entwickeln erfordert Zeit und die Bereitschaft zum Learning by Doing. Deshalb klein starten, messen, analysieren und im kleinen Team stets wieder die Lehren daraus ziehen.
Ein Verkauf des Familienunternehmens kann deren Besitzer in Extremfällen vor dem Totalverlust des Klumpenrisikos bewahren, aber auch zu erheblichen Vermögenseinbussen als Investor führen. Deshalb ist es oft schlau, in einer Übergangsphase parallel zu fahren, das heisst: die Kontrolle am Familienunternehmen noch eine Zeit lang halten und parallel dazu ein Portfolio aufzubauen, um für die Zukunft zu lernen.